Was für eine tolle Band für Marcuse: Die Musiker, Schauspieler und Autoren Andreas Spechtl (Ja, Panik), Robert Stadlober (Gary, «Sonnenallee») und Thomas Ebermann («Der Firmenhymnenhandel») erforschen Herbert Marcuses grosse systemkritische Schrift «Der eindimensionale Mensch» 50 Jahre nach ihrer Entstehung (1964) mit gegenwärtigen Fragen, Einsprüchen, Interpretationen und Songs. Keine Angst: Das wird kein akademischer Abend, und auch kein Lehrstück, sondern, gemäss Ankündigung: ein Konzert-Theater. Steirischer Herbst meets Politbüro Hamburg, und Poplinke pochen auf die gegenwärtige Relevanz des wohl wichtigsten Inspirators der 68er-Bewegung. Rebellion jetzt! Warum eigentlich nicht?
Kristof Schreuf muss seinen Auftritt wegen Stimmproblemen leider absagen.
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Eine facettenreiche Geburtstagsfeier für eine trostlose Gestalt, die sich auch noch treu geblieben ist, seit Herbert Marcuse ihr glückliches Bewusstsein und ihre versklavte Zufriedenheit erforschte.
1964 tat es beim Zahnarzt mehr weh als heute, und für eine schnelle Übermittlung von Nachrichten verschickte man Telegramme. Technologisch geht's seitdem voran, aber das Denken, das mit der Kritik der Verhältnisse erst beginnt, ist verdrängt vom Funktionieren im Bestehenden. Informiertheit und Verblödung sind verschwistert.
Als Herbert Marcuse, einer der Denker der »Kritischen Theorie«, diese Zusammenhänge zu entschlüsseln versuchte, inspirierte er damit große Teile der »Rebellion von ’68«.
Was er ätzend als »Hölle der Gesellschaft im Überfluß« benannte – das damalige Wirtschaftswunder mit reguliertem Arbeitsmarkt und wachsendem Konsum – ist heute der Himmel vieler Progressiver.
An diesem Abend wird er erforscht mit Songs, die auf Passagen aus dem »Eindimensionalen Menschen« basieren. Außerdem wird – unakademisch, aber auf den berüchtigten »gesunden Menschenverstand« verzichtend – rezitiert, dialogisiert und gestritten, ob und warum der Philosoph sich irrte. Da das Ensemble weder ein Lehrstück plant noch den Lehrer spielen will, zieht es sich zwar nicht vor aller Augen aus, verheimlicht aber nicht, dass sich auch in seinen Mitgliedern manch Eindimensionalität festgesetzt hat. Man soll ja, lehrte der Systemkritiker, misstrauisch gegenüber seinen Bedürfnissen sein. Entgegen landläufiger Meinung stammen sie nicht aus dem »tiefsten Innersten« und zeugen auch nicht von Authentizität …