Uni-Flagge
Im Bann des Seepferdchens
St. Gallen war schon immer für sein hohes Aufkommen von Seepferdchen berühmt. Diese Feststellung – oder ist es eine Behauptung? – der Künstlerin Cosima von Bonin im Zusammenhang mit dem von ihr entworfenen neuen Banner für die Erfreuliche Universität im Palace bestätigt die visionäre Kraft künstlerischen Tuns: Kaum hängt die neue Flagge im Kulturpalast am Blumenbergplatz, findet einer beim Vorbeifahren im Gestein nahe der Stadt einen versteinerten Nashornkopf. Dass es so etwas gibt!
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Cosima von Bonin, die sich Duchamp, Picabia und Schwitters auf die Brust schreibt und Kippenberger im Herzen trägt, ist so berühmt für ihre verwirrend absurden und anspielungsreichen Installationen mit allerlei Getier und Pilzen, wie das Seepferdchenmännchen für sein Schwangerseinkönnen berühmt ist. Vor 15 Jahren verblüffte die 1962 geborene Künstlerin aus Köln in der Kunsthalle St. Gallen mit der Ausstellung Wyoming, 2010 war im Kunsthaus Bregenz ihre bislang grösste Einzelausstellung zu sehen. Spektakulär war zudem ihr Auftritt an der documenta 12 in Kassel 2007. Wie schaffen es die Leute vom Palace, solch renommierte und gefragte Künstlerinnen und Künstler zu sich zu holen? «Wir fragen einfach», lautet die Antwort. Doch dahinter steckt auch ein Betriebsgeheimnis sowie das starke Profil des Hauses mit seinem Programm. Auch mit der Bannerreihe seit 2006 mit André Butzer, Michaela Melián, Peter Kamm, Jutta Koether, Albert Oehlen, Roberto Ohrt, Andy Hope, Klaudia Schifferle und nun Cosima von Bonin signalisiert es weitreichende Komplizenschaften.
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Kein Zufall ist es, dass auf die Palace-Bühne passende Musiker wie Dirk Lowtzow von Tocotronic und Phantom Ghost, Moritz von Oswald oder Justus Köhnke mit Cosima von Bonin zusammenarbeiten. «So wird das musikalische Programm mit grossartiger und in diesem Fall auch lustiger Kunst in den Luftraum über der Bühne verlängert», meint Programmmitverantwortlicher Johannes Stieger, und er freut sich über die gelungene Wahl. «Wenn wir hier im Städtli daran denken, dass St. Gallen irgendwann am Meer lag, kommen die ganz grossen Sehnsüchte auf, darum passt die Fahne, und das Seepferdli passt, wie es über der Bühne schwebt, irgendwie intelligent, aber auch verwirrt.»
Ursula Badrutt / St.Galler Tagblatt, 27. September 2014